Am 25. März 2025 hat sich der neue Bundestag konstituiert. Unsere Sprecher*innen Simon Bödecker, Juliane Hauschulz, Thomas Carl Schwoerer und Angelika Wilmen haben sich in einem Offenen Brief an alle Abgeordneten der demokratischen Fraktionen gerichtet, um unsere Kampagne, Positionen und Forderungen vorzustellen. Wir wollen mit den Abgeordneten in den Austausch kommen und deutlich machen, warum wir sämtliche landgestützten Mittelstreckenwaffen als eine Bedrohung für die Sicherheit in Europa ansehen. Rüstungskontroll- und Abrüstungsgespräche können nicht warten. Vor 50 Jahren wurde die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet, in der Maßnahmen angekündigt wurden, „um schließlich eine allgemeine und vollständige Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle zu erreichen“. Wir fordern die Abgeordneten auf, sich an die Ziele des Dokuments zu erinnern und sich für weitere Schritte auch diesem Weg einzusetzen.

Hier findet Ihr den Brief im Volltext:

 

Bonn, 30. April 2025

 

Einladung zum Dialog: Gemeinsam für Abrüstung und ein friedliches Europa

 

Sehr geehrte/r Abgeordnete/r,

vor der Wahl zum 21. Bundestag haben wir Sie als Kandidat*in mit unserem Offenen Brief kontaktiert – nun gratulieren wir Ihnen herzlich zum Einzug in den Deutschen Bundestag!

Wir möchten gerne mit Ihnen in den Dialog treten, um gemeinsam zu erörtern, wie Europa mittelfristig auf einen friedensfähigen Kurs gebracht werden kann. Dazu gehört für uns auch eine neue Initiative zum Verbot von Mittelstreckenwaffen.

Bitte senden Sie uns bei Interesse zwei Terminvorschläge für ein Online-Treffen zu.

Seit unserem letzten Brief ist viel passiert:

  • Der seit dem 24. Februar 2022 andauernde Krieg in der Ukraine geht unvermindert weiter.
  • Die neue US-Administration scheint keinen nachhaltigen Friedensplan zu verfolgen.
  • EU-Staaten wurden bei den Gesprächen über eine partielle Waffenruhe weitgehend außen vorgelassen.
  • Der 20. Bundestag traf weitreichende Entscheidungen zur Verteidigungsfinanzierung, und die EU erwägt, Mitgliedsstaaten zinsgünstige Kredite von bis zu 150 Mrd. € für Rüstungsgüter bereitzustellen.
  • Die Diskussion um eine europäische nukleare Abschreckung gewinnt an Intensität.

 

Russland hat durch seinen großflächigen Angriff auf die Ukraine die Vision einer europäischen Friedensordnung in weite Ferne gerückt, (völkerrechtliche) Grundpfeiler des Zusammenlebens in Europa in Frage gestellt und unzählige Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu verantworten. Gleichzeitig priorisiert es wirtschaftlich die Produktion von Rüstungsgütern für seinen Krieg.

Im November 2024 hat Moskau bei Angriffen auf das ukrainische Dnipro erstmals eine neu entwickelte Mittelstreckenrakete eingesetzt und mit weiteren Einsätzen gedroht. Dies stellt eine unverantwortliche Eskalation dar.

Die EU und die europäischen NATO-Staaten rüsten gleichzeitig massiv auf und verabschieden sich teilweise aus mühsam erstrittenen Errungenschaften der humanitären Abrüstung – was diese Instrumente nachhaltig zu schwächen droht.

Am 10. Juli 2024 gaben die US-Regierung und die deutsche Bundesregierung bekannt, US-Raketen vom Typ SM-6, Tomahawk-Marschflugkörper und Dark-Eagle-Hyperschallwaffen stationieren zu wollen. Zusätzlich wurde bekannt, dass Deutschland mit weiteren, europäischen Staaten die Entwicklung eigener Mittelstreckenwaffen im Rahmen des Projektes ELSA vereinbart hat.

Wir halten es für einen Irrweg, als Reaktion auf die aktuellen geopolitischen Spannungen in eine Aufrüstungsspirale einzutreten und gefährliche Waffensysteme zu stationieren bzw. selbst zu entwickeln. Anders als beim NATO-Doppelbeschluss 1979 wurde die Stationierung nicht mit einem Verhandlungsangebot verbunden! Dabei waren Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 km und 5.500 km unter dem INF-Vertrag aus guten Gründen verboten.

Wir setzen uns ein für:

  • Einen Stopp der geplanten Stationierung neuer US-Mittelstreckensysteme in Deutschland
  • Den Abbruch der Projekte zur Entwicklung eigener europäischer Hyperschallwaffen und Marschflugkörper, an denen Deutschland sich beteiligen will
  • Neue Initiativen für gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit und die langfristige Vision einer neuen Friedensordnung in Europa
  • Dialog statt Aufrüstung: Eine Wiederaufnahme von Verhandlungen über Rüstungskontrolle und (nukleare) Abrüstung (z.B. für ein multilaterales Folgeabkommen zum INF-Vertrag)

Vor 50 Jahren wurde die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet. Um die dort festgehaltenen wegweisenden Ziele zu unterstützen, fordern wir glaubwürdige Bestrebungen und die Bereitschaft aller Beteiligten, an diesen historischen Prozess anzuschließen.

Rüstungskontroll- und Abrüstungsinitiativen können aufgrund der Spannungen nicht warten – sie sind gerade jetzt notwendiger denn je. Landgestützte Mittelstreckensysteme sorgen für enorme Unsicherheiten – auf allen Seiten. Es braucht sachliche und mutige Stimmen, die deutlich machen, dass gerade in Zeiten von Spannungen Abrüstung und Rüstungskontrolle eine für uns alle überlebenswichtige Bedeutung zukommt! Wir hoffen, dass Sie im Rahmen Ihres Mandates eine dieser Stimmen sein werden.

Über die Möglichkeit zum Austausch mit Ihnen freuen wir uns.

Mit freundlichen Grüßen

Simon Bödecker, Ohne Rüstung Leben
Juliane Hauschulz, IPPNW e.V.
Thomas Carl Schwoerer, DFG-VK
Angelika Wilmen, IPPNW e.V.

Sprecher*innen der Kampagne „Friedensfähig statt erstschlagfähig. Für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen!“

Antworten bitte an info@friedensfaehig.de