Am vergangenen Wochenende fanden in mehr als 100 Städten die Ostermärsche der Friedensbewegung statt. Neben der Forderung nach Frieden in der Ukraine und Nahost und der deutlichen Kritik an den Debatten rund um die vielbeschworene Kriegstüchtigkeit, nahm das „Nein“ zu den Stationierungsplänen neuer US-Mittelstreckenwaffen einen zentralen Platz bei vielen der Friedensaktionen ein. Ein Überblick.
In Wiesbaden, wo erst vor wenigen Wochen eine große Demo gegen Mittelstreckenwaffen stattfand, standen diese auch zum Ostermarsch auf der Tagesordnung. „Als die 2. Multi-Domain Task Force, kurz: MDTF der US Army 2021 in Wiesbaden eingerichtet wurde, hat dies in unserer Stadt große Bedenken ausgelöst“, betonte die Wiesbadener Stadträtin Brigitte Forßbohm bei der dortigen Abschlusskundgebung. Über die im Juli am Rande des Nato-Gipfeltreffens in einer gemeinsamen deutsch-amerikanischen Erklärung über die Absicht der Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen zeigte sie sich umso mehr schockiert. Sie warnte vor den „großen Risiken, insbesondere für Wiesbaden als Sitz der Kommandozentrale, aber auch für ganz Deutschland“, welche durch das Abschreckungskonzept entstünden.
Mehr Sicherheit durch neue landgestützte Mittelstreckenwaffen?
Marius Pletsch, Campaigner bei „Friedensfähig statt erstschlagfähig. Für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen!“ ging in seiner Rede beim Ostermarsch in Heidelberg u.a. auf die Hintergründe der Stationierungspläne ein. Die USA haben am 10. Juli 2024 gemeinsam mit der Bundesregierung am Rande des NATO-Gipfels in Washington angekündigt, folgende landgestützte Mittelstreckenwaffen zu stationieren: Marschflugkörper vom Typ Tomahawk und ballistische Raketen vom Typ SM-6 mit einer Reichweite von jeweils ca. 1.600 km sowie den Hyperschallgleiter Dark Eagle mit einer Reichweite von über 2.700 km. Nukleare Sprengköpfe können derzeit keine der drei Waffen tragen. Sie sind der zweiten Multi-Domain Task Force in Wiesbaden unterstellt und werden voraussichtlich ab 2026 in Grafenwöhr stationiert.

Im Zuge der europäischen Aufrüstung und dem Versuch unabhängiger von den USA zu werden, möchte Deutschland gemeinsam mit europäischen Verbündeten ein eigenes landgestütztes Waffensystem mit einer Reichweite zwischen 1.000 km und 2.000 km entwickeln.
„Der Abschreckungswettlauf schafft keine Sicherheit“, betonte Pletsch in seiner Rede in Heidelberg. Landgestützte Mittelstreckenwaffen lassen sich schnell verlegen und abschussbereit machen, sie erreichen ihr Ziel in wenigen Minuten. Von der russischen Exklave Kaliningrad aus kann Russland schon heute mit den dort stationierten Waffen das gesamte Baltikum, Polen und die Strecke bis Berlin abdecken. Mit der im November eingesetzten Oreschnik kann von Russlands Grenzen aus ganz Europa abgedeckt werden. Umgekehrt reicht die Dark Eagle, die von den angekündigten US-Waffen die höchste Reichweite hat, bis weit hinter Moskau. „Fühlt ihr euch schon sicherer?“, stellte Pletsch den Ostermarschierenden in Heidelberg die Frage. „Unsere Antwort ist ganz klar: NEIN!“
Starke Nachfrage nach Infos zum Thema Mittelstreckenwaffen
Bereits in den Wochen vor dem Ostermarsch war eine erhöhte Nachfrage an Materialien zu verzeichnen. Die von der Kampagne „Friedensfähig statt erstschlagfähig. Für ein Europa ohne Mittelstreckenwaffen!“ herausgegeben Flyer und Aufkleber wurden mehrere Tausend mal angefordert und mussten bereits nachgedruckt werden.
Auch der „Berliner Appell“ wurde mittlerweile von rund 50.000 Personen unterzeichnet. „Aber das kann nur ein Anfang sein“, betonte IPPNW-Vorstandsmitglied Ralph Urban und forderte die Ostermarschierenden in Lübeck in seiner Rede auf: „Sammelt bitte bei jeder Gelegenheit selbst Unterschriften!“
Auch nach den Ostermärschen: Kampagne bleibt aktiv gegen Mittelstreckenwaffen
Auch bei zahlreichen weiteren Ostermärschen – etwa in Bremen, Freiburg, Bielefeld und Kassel – kam die Ablehnung der Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Reden zum Ausdruck oder waren bereits Bestandteil der Aufrufe. Viele dieser Kundgebungsbeiträge können hier nachgelesen werden.
Die Kampagne gegen Mittelstreckenwaffen, welche mittlerweile von 55 Organisationen getragen wird, bleibt auch nach den Ostermärschen aktiv gegen die fürs kommende Jahr geplante Stationierung von Mittelstreckenwaffen. Weitere Aktivitäten werden dazu bereits geplant. Die Forderungen, mit der sich die Kampagne an die Politik wendet, betonte Kampagnenrätin Regina Hagen auch bei ihrer Rede in Mannheim.
- „Keine neuen Mittelstreckenwaffen, nicht in Deutschland, nicht in Russland, nirgendwo in Europa!
- Abzug der Multi-Domain Task Force und des Artilleriekommandos aus Wiesbaden und auch des Artilleriekommandos aus Grafenwöhr!
- Dialog statt Aufrüstung! Verhandlungen über einen neuen Mittelstreckenvertrag!
- Nicht Missachtung und Schwächung, sondern Stärkung des Völkerrechts!
- Und wir fordern neue Initiativen für gemeinsame Sicherheit und Zusammenarbeit und Europa!
Wir wissen, das ist nicht einfach, und dennoch:
- Wir beharrend auf der langfristigen Vision einer gemeinsamen Friedensordnung in Europa!„